Die 44. BImSchV - Kontinuierliche Emissionsmessung
Bernard Storm im Interview über die 44. BImSchV
Schärfere Emissionsgrenzwerte, kürzere Messintervalle und neue Nachweispflichten – mit der neuen Immissionsschutzverordnung kommt einiges auf BHKW-Betreiber zu. Bernard Storm, Geschäftsführer des gleichnamigen Servicedienstleisters für Verbrennungsmotoren, über Herausforderungen und Lösungen.
20 Fragen und Antworten zur neuen Immissionsschutzverordnung.
Die neue 44. BImSchV ist am 20. Juni 2019 in Kraft getreten und löst die Regelungen der TA Luft ab. Bernard Storm spricht über Themen, an denen sich Diskussionen entzünden und gibt Antworten auf Fragen, die Betreibern unter den Nägeln brennen.
Die 44. BImSchV wurde Ende Juni vom Bundesrat beschlossen und setzt die europäischen Vorgaben um. Was ist das Ziel?
Die neue Verordnung soll von Menschen verursachte Umweltauswirkungen, zum Beispiel Feinstaub, Schwefeldioxid und Stickstoffoxid, reduzieren. Am 20. Juni 2019 ist sie in Kraft getreten. Damit endet vorerst ein jahrelanger Prozess intensiver Diskussionen. Trotzdem: Der Gedankenaustausch sollte weiter gehen. Denn nur das ermöglicht allen Seiten, Erwar- tungen und Lösungen, aber auch Pflichten zwischen Betreibern, Herstellern und Behörden transparenter zu machen.
TA Luft geht, BlmSchV kommt – was ändert sich?
Eine grundlegende Änderung sind die verschärften Abgas-Emissionsgrenzwerte von Verbrennungsmotoranlagen. BHKW mit Gasmotoren können diese einhalten, aber in der Regel nur mit Katalysator. Das gilt auch für Bestandsanlagen. Als Betreiber muss ich außerdem mit neuen Pflichten über die Emissionsmessungen rechnen, zudem wird ein Anlagenregister geführt.
An wen richtet sich die 44. BImSchV konkret?
An Betreiber von mittelgroßen Feuerungsanlagen, also Anlagen im Leistungsbereich von 1 bis 50 MW Feuerungswärmeleistung, dies entspricht in etwa einer Anlagengröße von 400 KW elektrisch aufwärts. Die Verordnung gilt damit für jeden Emissions-Standort, der bei seinen Verbrennungsmaschinen insgesamt mehr als 1 MW Gesamt-Feuerungswärmeleistung aufweist, also in der Regel auch die Summe aller Brennstoffleistungen jedes Verbrennungsmotors. Aber auch parallel betriebene Kessel oder Turbinen zählen als Emittenten gegebenenfalls hier dazu.
Betreiber müssen ab einer Feuerungswärmeleistung von 1 MW pro BHKW nachweisen, dass Abgasbehandlungsanlagen wirksam betrieben werden. Das heisst?
Der Betreiber muss nachweisen, dass er im Motorbetrieb permanent die geforderten Grenzwerte bezüglich NOx einhält, wenn er in Summe mehr als 1 MW Brennstoffleistung zuführt. Sind Katalysatoren verbaut, muss er zusätzlich deren Wirksamkeit, zum Beispiel durch Temperaturmessung, nachweisen.
Die jährliche Schadstoff-Messung des Umweltgutachter reicht also nicht mehr aus?
Die jährliche Emissionsmessung wird nicht durch Umweltgutachter, sondern durch zertifizierte, nach BImSchG zugelassene Messstellen durchgeführt. Es bedarf jetzt einer technischen Funktionsüberwachung für den Kat, falls einer verbaut sein sollte.
Für die Umsetzung sollten die Behörden Übergangsfristen einräumen. Die Berichtspflicht für Betreiber von BHKW gibt es ja bereits mit der Veröffentlichung des Verordnungstextes im Bundesanzeiger. Alle Aggregate, die unter diese Verordnung fallen müssen angemeldet, registriert und mit einer entsprechenden NOx-Messung und -Speicherung nachgerüstet werden.
Welche Emissionen umfasst die verschärfte Verordnung?
Im Fokus stehen vor allem die strengeren Emissionsbegrenzungen für Stickoxid, Schwefeldioxid, Staub und Formaldehyd, gerade die Stickoxid-Werte wurden deutlich gesenkt.
Ab wann gilt die neue Verordnung?
Für Bestandsanlagen ab dem 1.1.2025. Bis Ende 2024 gelten für bestehende genehmigungsbedürftige Anlagen die Vorschriften der TA Luft und der 1. BImSchV.. Für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sollte man sich bis dahin auf die Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen beziehen, das ist in der 1. BImSchV geregelt. Abweichend davon sieht § 39 Abs. 4 für weitere Bestandsanlagen längere Übergangsregelungen vor, damit die Betreiber die Anforderungen der Verordnung umsetzen können. Alle weiteren Vorgaben, zu denen keine Ausnahmeregelungen in § 39 enthalten sind, werden mit Inkrafttreten der Vorschrift, also ab dem 20. Juni 2019, für die Anlagenbetreiber bindend.
Welche weiteren neuen Pflichten kommen auf die Betreiber zu?
Betreiber erwartet eine Registrierungspflicht für Feuerungsanlagen, zudem gibt es neue Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten. Auch bei Abgasreinigungseinrichtungen gibt es zusätzliche Vorgaben. Darüber hinaus gibt es Auflagen bei Messverfahren und Messeinrichtungen; eine Einzelmessung muss spätestens nach vier Monaten nach Inbetriebnahme vorgenommen werden. Die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen geben auch vor, dass bestimmte Werte gemessen und übermittelt werden müssen. Da geht es um Betriebsstunden, Art und Menge des verwendeten Brennstoffs, Störungen oder Ausfälle der Abgasreinigungseinrichtung, oder Überschreitungen der Grenzwerte.
Was ist zu tun im Falle einer Störung?
Bei Störungen der Abgasreinigungseinrichtung müssen Maßnahmen ergriffen und dokumentiert werden. Es geht da insbesondere um die Funktionsüberwachung des Kat. Das Ganze ist komplex und erfordert fachliche Expertise und ist technisch nicht ohne Weiteres umzusetzen. Ich finde: da darf man die Betreiber nicht allein lassen. In der neuen Verordnung heisst es dazu: „Der Betreiber einer Anlage hat bei einer Betriebsstörung an einer Abgasreinigungseinrichtung oder bei ihrem Ausfall unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen für einen ordnungsgemäßen Betrieb zu ergreifen. Er hat den Betrieb der Anlage einzuschränken oder sie außer Betrieb zu nehmen, wenn ein ordnungsgemäßer Betrieb nicht innerhalb von 24 Stunden sichergestellt werden kann. In jedem Fall hat er die zuständige Behörde unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von 48 Stunden nach dem Zeitpunkt des Eintretens der Betriebsstörung oder des Ausfalls, zu unterrichten.“ Und fällt eine Abgasreinigungseinrichtung aus „darf eine Anlage während eines Zeitraums von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten höchstens 400 Stunden ohne diese Abgasreinigungseinrichtung betrieben werden“.
Ein SCR-Kat kann die Stickoxid-Grenzwerte in Schach halten. Wie funktioniert das?
SCR steht für selektive Katalytische Reduktion. Bei diesem Verfahren werden mit einem Katalysator die Stickoxide in den Abgasen reduziert und in Wasserdampf und Stickstoff umgewandelt. Für dieses Verfahren benötigt man den Zusatzstoff AdBlue, ein Mix aus Wasser und synthetischem Harnstoff. Von einem separaten Tank aus wird kontinuierlich das Gemisch in den Abgasstrang eingespritzt und vom Kat chemisch zersetzt. Hier reagiert dann die Flüssigkeit mit den Stickoxiden der motorischen Verbrennung und wandelt die Emissionen in Wasserdampf und Stickstoff um.
Wird die SCR-Technologie in Zukunft zum Standard bei Biogasanlagen?
Davon gehe ich aus, die Stickoxid-Herausforderung wurde bereits bei modernen Dieselfahrzeugen im Nutzfahrzeug technisch erfolgreich gemeistert. Auch stationäre Motoren und dezentrale Motoraggregate zur Stromerzeugung müssen hier Schritt halten.
Ab wann müssen Betreiber für Biogasanlagen den SCR-Katalysator einsetzen?
Neuanlagen müssen ab dem Jahr 2023 einen Stickoxid-Wert von 100 mg/m3 einhalten. In Holland und der Schweiz gilt dieser Grenzwert übrigens schon jetzt. Für Bestandsanlagen zählen bislang noch die Stickoxid-Grenzwerte von 500 mg/m3. Diese können und werden in der Regel aktuell noch durch innermotorische Maßnahmen erreicht. Ab 2029 gelten dann die Grenzwerte wie bei Neuanlagen, also 100 mg/m3. Dann wird auch hier eine SCR-Kat- Nachrüstung erforderlich. Experten raten übrigens zu selbstregelnden SCR-Systemen, denn die verhindern eine falsche Dosierung und helfen dabei, die maximalen Ammoniak-Grenzwerte einzuhalten.
Was ist zu beachten bei Planung, Bau und Inbetriebnahme von BHKW-Anlagen?
“Gut vorbedacht, schon halb gemacht“ lautet das Motto. Wer also plant, neu zu bauen, sollte den SCR-Katalysator einkalkulieren und in einem ersten Schritt zukünftige technische Anforderungen berücksichtigen, zum Beispiel ein passendes Gehäuse in der ersten Ausbauphase. Ab 2023 können dann die nötigen erforderlichen Komponenten für Technik und IT verbaut werden. Hier sollte immer an ausreichend Platz und Abstände gedacht werden. Wer also klug plant, kann bei Nachrüstungen Geld und unnötigen Aufwand sparen. Für Bestandsanlagen gilt: auch sie können nachgerüstet werden, hier ist der SCR-Kat aber wohl erst ab 2029 ein Thema. Ausnahmen aufgrund besonderer Umstände sind eventuell auf Anfrage seitens des Betreibers möglich, müssen aber die EU-Richtlinien einhalten.
Welche Messungen sind vorzunehmen?
Nach Inbetriebnahme müssen fortlaufend die Emissionen von NOx mittels eines NOx- Sensors gemessen und dokumentiert werden. Zudem muss man jährlich den Formaldehyd- und Kohlenmonoxid- Emissionswert für Biogasmotoren feststellen, bei Schwefeloxiden erfolgt alle drei Jahre die Messung. Und: Einmal im Jahr müssen die Emissionen des gesamten gasförmigen organisch gebundenen Kohlenstoffs ermittelt werden.
Lasten sämtliche Pflichten auf den Schultern der Betreiber?
Motoren- und BHKW-Hersteller sowie Servicedienstleister können aktiv unterstützen, etwa mit passenden Produkten und Services. Es geht auch um die Frage, wie der Nachweis einer funktionierenden Abgasnachbehandlungsanlage technisch erbracht werden kann. Kann der Betreiber etwa die Messdaten sicher und fehlerfrei erheben und speichern – und das bei einem Zeitraum von sechs Jahren? Da kommen auch Fragen zum Datenschutz auf den Plan.
Was, wenn verschiedene Motoren von verschiedenen Herstellern im Einsatz sind?
Für einen gemischten Maschinenpark sind einheitliche Berichte pro Motor hilfreich, das ist technisch machbar. Eine herstellerübergreifende Lösung ist das Ziel und bei uns verfügbar. Es gilt, praxistaugliche, modulare Strategien zu entwickeln, sowohl für die Erst- als auch die Nachrüstung.
Haben Sie konkrete Lösungsvorschläge für die Funktionsüberwachung des Kat?
Eine Integration der Messtechnik in die bestehende Katalysatortechnologie ist sinnvoll. Das VDMA Papier 6299 gibt vor, wie die Messungen durchzuführen sind. Neben dem NOx- Sensor müssen noch die Abgastemperatur zur Überwachung des KAT und die elektrische Leistung mit aufgenommen werden. Unser System ist herstellerunabhängig und eine Einmalinvestition. Außer Kosten für Verschleißteile wie den NOx- Sensor hat der Kunde mit keinen weiteren laufenden Kosten zu rechnen.
Kunden, die bereits Ihr Aggregat mit einer Steuerung von uns upgedatet haben, können die NOx-Sensorik in das bestehende System mit einbinden lassen.
Wo liegt der Unterschied zwischen Neuanlage und Bestandsanlage?
Als Neuanlage gilt eine Anlage, die am 21. Dezember 2018 oder später in Betrieb genommen und bis zum 17. Dezember 2017 oder später nach §4 oder § 16 BImSchG genehmigt wurden. Neuanlagen sind auch all die Anlagen, die am Stichtag 20. Dezember 2018 in Betrieb genommen und am 17. Dezember 2018 oder später genehmigt wurden. Anlagen, die früher in Betrieb genommen wurden, gelten als Bestandsanlagen.
Die neue Verordnung stellt so manchen Betreiber vor große Aufgaben. Wer hilft?
Angesichts der vielen neuen Vorgaben, mit denen sich die Unternehmen momentan konfrontiert sehen, ist Klarheit dringend nötig. Auskunft zu Fristen und Anforderungen der 44. BImSchV geben Behörden. Selbstverständlich können sich die Betreiber mit ihren technischen Fragen an uns wenden. Bei Neuanlagen sollten die neuen Auflagen direkt verbaut sein.
Wie beurteilen Sie die neue Verordnung?
Für eine abschließende Einschätzung ist es noch zu früh. Aber ich begrüße die Anstrengungen der EU für saubere Luft. In den letzten 20 Jahren wurde hier viel angepackt, auch die BHKW werden immer sauberer. Mit der Gesetzesänderung schafft die Politik nun Rechts- und Planungssicherheit. Aber wie bei jedem neuen Gesetz stecken die Tücken im Detail. Ich habe den Eindruck, es gibt noch einige Fragezeichen, sowohl für BHKW- Betreiber als auch Hersteller. Vor allem befürchten Betreiber rückwirkend erhebliche Belastungen im Betrieb aber auch was Neuinvestitionen in Abgasreinigungseinrichtungen angeht. Und was macht etwa ein Kunde, der keinen Platz für eine Kat-Nachrüstung hat? Hier sollte es faire Übergangsfristen und praktische Lösungen geben, auch bei der Emissionsmessung sollte der Aufwand verträglich sein. Dialog ist wichtig, um gemeinsam sinnvolle Lösungen für die erfolgreiche Zukunft aller beteiligten Akteure zu finden. Wenn hier alle an einem Strang ziehen, kann die Branche einen aktiven Beitrag leisten für eine saubere und zukunftsfähige Technologie, die hilft, die Klimaziele zu erreichen. Denn eins steht fest: das Thema Emissionen und 44. BImSchV wird uns noch lange begleiten.